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1. Gießener Harnblasenkarzinom Symposium

06. 12. 2010

Die Selbsthilfegruppe Blasenkrebs Hessen war aktiv in Gießen dabei:
am Samstag 4.12. 2010 gemeinsam mit über 30 Ärzten,
am Sonntag 5.12. 2010 zusammen mit mehr als 40 Patienten.

 

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Unter der Moderation des Organisators Dr. Lüdecke (Gießen) referierten und diskutierten Prof. Dr. Stenzl (Tübingen), Prof. Dr. Nativ (Haifa), Dr. Lev (Amsterdam) und Dr. Hasner (München) über Grundlagen, Aspekte, Zahlen und Behandlungsmethoden des Harnblasenkarzinoms. Invasiver Blasenkrebs sei ein Killer, aber beim früh erkannten, oberflächlichen Blasenkrebs stehen die Chancen auf Heilung und Rezidivvermeidung gut. Hier ist die Erwärmung der Blase mit Mikrowellen während der Spülung mit Mitomycin eine relativ neue, von manchen Ärzten kritisch beäugte, aber wirkungsvolle Methode, um nach kritischer Eingangsuntersuchung bei pTa und pT1 bis G3 betroffenenPatienten ihre eigene Blase zu erhalten. Ein Großteil beider Tage diente deshalb dem Ziel, diese Synergo ® - Methode den Ärzten und Patienten plausibel und verständlich darzustellen.

 

Von über 28.000 an Blasenkrebs Neuerkrankten pro Jahr sind zu 3 /4 Männer betroffen und zu 1/4 Frauen. Diese haben aber statistisch eine ca. 12 % höhere Lebensbedrohung. 25 % der Neuerkrankungen sind nicht mehr oberflächlich. Zu 50 % kann Rauchen, auch Passivrauchen, als Ursache mit angesehen werden. Auch wenn dies schon über 10-20 Jahre nicht mehr praktiziert wird. Bei der Anerkennung des Blasenkarzinoms als Berufskrankheit, die durch chemische Stoffe (z.B. aromatische Amine) ausgelöst wird, gilt eine ähnlich lange Latenzzeit. Risikocheck und Früherkennung verbessern die Überlebenschancen und die Lebensqualität der Blasenkrebspatienten. Durch die hohe Rezidivrate sei Blasenkrebs international die teuerste Krebsart, von der Häufigkeit her bei Männern Platz 4 hinter dem Prostatakrebs. Bei komplett entfernten Blasen sei festgestellt worden, dass 20 - 50 % der pT1-Tumore bei der pathologischen Klassifizierung zu niedrig eingestuft wurden. Die Risikoabwägung, ob Organerhaltung oder frühe Blasenentfernung, könne den Patienten also nicht abgenommen werden. Die Synergo ® - Methode sei zwar eine teuere und zeitintensive Behandlung, aber sehr wirkungsvoll und müsse deshalb bei dieser Entscheidung berücksichtigt werden, denn sie biete gute Chancen für eine rezidivfreie Zeit, in der die eigene Blase erhalten bleibt. Viele Urologen kennen diese Methode jedoch nicht oder würden an Hergebrachtem festhalten.

 

Eine neue, internationale randomisiert kontrollierte Langzeit-Studie von Renzo Colombo et.al. (April 2010) zeige, dass 10 Jahre nach einer Anschlußtherapie beim Nicht-Muskel-invasivem-Blasenkrebs (NMIBC), bei der Hyperthermie-Chemotherapie mit Synergo ® 53 %, im Vergleich mit Mitomycin-C allein nur 15 % der Patienten ohne Rezidiv geblieben sind. In München wurden bisher 50 Patienten, in Gießen 44 Patienten mit der Synergo ® - Methode behandelt. Es waren nur 10 - 15 % Rezidive oder Therapiewechsel zu verzeichnen. Die Abläufe der Behandlungen sind in der Therapie gleich, sie unterscheiden sich aber bezüglich des Klinikaufenthalts in beiden Kliniken wegen abrechnungstechnischer Modalitäten. Kein Kassenpatient musste bisher selbst etwas draufzahlen.

 

Die Behandlung wurde anhand von Folienvorträgen erklärt: Es wird ein 6 mm Silikon-Katheder in die Blase eingeführt, in dem eine Antenne eine Radiofrequenz von 915 MHz sendet. Diese Mikrowelle sorgt für eine gleichmäßige Erwärmung der Blasenwand von innen (ca. 42 °C, bis max. 5 mm Eindringtiefe) und eine Erwärmung des über den Katheter eingespülten Chemotherapeutikums auf ca. 40 °C. Die als Argument gegen die Erhitzung kritisierten Blasenschleimhautveränderungen seien bei allen Patienten alle wieder ausgeheilt. Durch die Erwärmung sei aber ein tieferes Eindringen des Chemotherapeutikums in die Epitelschichten des Urothels möglich. Die Bindungskapazität von Mitomycin C am DNA-Strang würde um ein Vielfaches gesteigert und führe dazu, dass mehr Strangabbrüche an der DNA in der sich teilenden Tumorzelle erfolgen und die Aktivität der DNA-Reparaturenzyme gehemmt werde. In den Diskussionsrunden mit den bereits behandelten Patienten zeigte sich, dass Männer dieselben Ängste vor Rezidiven haben wie Frauen, dass alle Befragten aber vor einer radikalen Entfernung ihrer Harnblase erst noch einen Versuch mit der Hyperthermie-Chemotherapie machen würden, und dies sogar trotz ihrer Missempfindungen bei der Katheterplatzierung und der Harndrang-Symptome während der 2x 30 minütigen Behandlung. Es sei allemal ein Versuch wert, vielleicht doch ohne Rezidiv zu bleiben (siehe o.g. Studie).

 

Prof. Nativ berichtet unter dem Punkt Organerhaltung vs. frühe Cystektomie, dass in einer repräsentativen, weltweit durchgeführten Studie Patienten zu ihrer Lebensqualität nach Blasenentfernung befragt wurden. Für ihn überraschend gab es KEINEN Unterschied in der subjektiv wahrgenommenen Qualität zwischen Neoblase und Stoma (Ileum-Conduit). Er war eigentlich davon ausgegangen, dass die Neoblase deutlich besser abschneiden müsste, aber die Stoma-Patienten kommen offenbar sehr gut mit ihrer Situation zurecht. In Haifa erhalten ca. 60% der Patienten ein Stoma, ca. 40% eine Neoblase. Ein Pouch spiele so gut wie keine Rolle mehr und wird Patienten nur noch auf ausdrücklichen Wunsch gemacht. Dr. Lüdecke und Dr. Hasner bestätigen Ähnliches für Gießen bzw. Harlaching, da Stoffwechselabbauprodukte die ins Blut gelangen, bei älteren Patienten zu einer reduzierten Denkleistung führen, weswegen man denen lieber ein Stoma mache (Pouch scheide bei denen u. a. wg. der komplizierteren Handhabung aus).

 

Mehrmals wurde Nutzen und Notwendigkeit der Selbsthilfe beim Blasenkrebs hervorgehoben, von Prof. Dr. Weidner und Dr. Lüdecke (Gießen) grundsätzlich, von Dr. Petrik (Selbsthilfe-Bund Blasenkrebs e.V.) bei psychosozialem Unterstützungsbedarf, und von Franz Hagenmaier (Selbsthilfegruppe Blasenkrebs Hessen) im Erfahrungsaustausch unter Betroffenen, oder zur schnellen Information von neu an Blasenkrebs Erkrankten und deren Angehörigen. Am Informationsstand des Selbsthilfe-Bund Blasenkrebs e.V. füllten 17 Zuhörer eine Beitrittserklärung aus und gleich viele zeigten am Stand der Selbsthilfegruppe Blasenkrebs Hessen Interesse an der Gründung einer örtlichen Selbsthilfegruppe. Auf Grund des Erfolgs der Veranstaltung wird es in 2011 eine Fortsetzung geben.

 

 

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1. Gießener Harnblasen-Symposium (06. 12. 2010)